Datca, Türkei

Endlich war es so weit, wir starteten wieder in unbekanntes Terrain. Ich glaube ich war noch nie so lange am Stück zu Hause, wie diesen Herbst. Seit unserem Kurztrip im August ins Rätikon bin ich nicht mehr ausgeschwärmt, um neue Felsen zu entdecken.
Was ist es, das diese kurzen Trips mit sich bringen, dass ich mich so sehr danach sehne? Ist es das Leben im Augenblick? Die Einfachheit? Die ungestörte Zweisamkeit?

Am 26. Dezember flogen wir nach Izmir und mit dem Mietauto ging es weiter Richtung Süden auf die Iskele Mahallesi. Im Dunkeln fuhren wir durch diese fremde Welt, ohne zu sehen was uns am nächsten Tag erwartete. Natürlich haben wir Bilder gesehen, Beschreibungen gelesen, doch nichts ist so spannend wie der erste Eindruck, und der war wunderschön.
Wir haben unser Apartment gefunden und flogen tot müde und voller Erwartungen ins Bett. In der Früh staunten wir nicht schlecht, strahlend blauer Himmel und die Sonnenstrahlen glänzen auf der Meeresoberfläche. Als Tirolerin ist es immer unheimlich schön das Meer wieder zu sehen und wir konnten es von unserem Apartment aus, über die Dächer der Stadt hinweg, beobachten.
Nach einem Cappuccino in dieser Idylle kribbelten allerdings unsere Finger schon so sehr, dass wir nicht länger sitzen bleiben konnten. Auf in die Can Baba!
Die Can Baba war der Grund, weshalb wir hier waren, eine riesige Höhle mit vielen Sintern.

Bei der Höhle angekommen staunten wir nicht schlecht, doch auch ein bisschen Demut stellte sich ein. Geniale Sinterlinien zogen in einem riesigen Dach 50 Meter lang durch die Wand, doch leider waren viele von ihnen nass. Und zu dem waren wir zu spät dran, die Sonne war schon aus der Wand und bei dem Wind, der um unsere Ohren pfiff, war nicht an klettern im Schatten zu denken. Also beschlossen wir erstmal den ganzen Felsriegel zu erkunden, um zu sehen ob wir noch ein sonniges Platzer fanden. Von der Can Baba aus kann man dem Felsriegel entlang nach oben wandern und kommt an den anderen Sektoren vorbei, wobei unser Grinsen immer breiter wurde, da wir entdeckten, dass auch hier super Fels eine tolle Kletterei versprach und diese Sektoren bis 17 Uhr Sonne hatten.
Wir kletterten in den Sonnenuntergang und wanderten zufrieden wieder zum Auto.
Die Abende verbrachten wir fast immer gleich. Ein kleiner Ausflug in die Stadt, ein bisschen spazieren am Meer, etwas feines Kochen und dann ab auf die Couch zum Lesen. Genau die Ruhe die ich brauchte.

Was auf den ersten Blick wie Pech aussah, stellte sich bereits am zweiten Tag als Segen heraus. Jeden Tag waren mehr Sinter trocken. So hatten wir nicht die Qual der Wahl, wir mussten uns nicht entscheiden welche Sinterlinie, welche alle zwischen 7b und 8a sind, wir klettern wollten, sondern freuten uns wenn eine Linie trocken war und versuchten sie sofort. Auch der Wind wurde weniger, so konnten wir auch bald im Schatten klettern.
Obwohl es ein Weltklasse Gebiet ist, waren wir fast immer ganz alleine. Von der Höhle aus sah man in eine Hügellandschaft und sogar ein bisschen das Meer. Zwischen den Versuchen entspannten wir in dieser Ruhe und beobachteten die Landschaft, obwohl der Blick immer wieder noch oben wanderte. Dieses 3D klettern ist einfach total abgefahren. Oftmals steckte ich irgendwo fest und dachte es geht kein Weg weiter, bis ich realisierte, dass hinter mir ein Sinter runter hängt. Spreizen, mit dem Rücken dagegenstemmen, immer wieder spannend welche Tricks man anwenden konnte. Bei einem Einstieg kletterte der Magnus mit den Füßen voraus, da er ansonsten nicht an dem Sinter vorbei kam, ich konnte mich vor Lachen nicht mehr halten. Er stöhnte, kämpfte, schürfte sich den halben Rücken auf, bis er schlussendlich grinsend auf dem Sinter stand.

Fünf Tage kletterten wir und genossen die Sonne. Doch dann kam das Jahr 2019, punkt Mitternacht begann es zu regnen und hörte nicht mehr auf. Traurig blickten wir in die Wolken und wussten, dass die Sinter jetzt erst mal Zeit brauchten.
Wir fuhren auf die östlichste Spitze der Halbinsel, zu einer Antiken griechischen Stadt, Knidos. Diese Stadt war bis zum 7 Jh eine blühende griechische Metropole, bis sie von einem arabischen Heer zerstört wurde. Wir spazierten durch die Ausgrabungen und wanderten die Küste ab. Jeder Blick auf das Meer machte mich ein bisschen traurig. Von der Küste aus sieht man auf diverse griechische Inseln, Kos zum Beispiel. Die Ostküste der Türkei hat in den letzten Jahren leider sehr viele negative Schlagzeilen durch Flüchtlingsunglücke gesammelt.

Als ich so an der Küste saß und mir überlegte, wie nah dieses westliche Europa erscheint, verstehe ich, weshalb sich Menschen, die auf der Suche nach einem besseren Leben sind, das Risiko auf sich nehmen, in einem halb schwindligen Schlauchboot die Überfahrt zu wagen. Zum Greifen nahe. Doch was? Was genau? Erwartet sie in der EU wirklich ein besseres Leben?
Ich als Europäerin spüre keinen Unterschied, ob ich nun in der Türkei beim Klettern bin, oder in Griechenland.  Die einzige Frage die ich mir stelle, ist, wo war ich noch nicht, wo sind die besten Bedingungen. Und dann geht es mit einem Billigflieger ab in ein anderes Land, in eine andere Welt.
Doch für viele ist es unvorstellbar, einfach so eine Grenze zu übertreten. Von Menschen gemacht, von Menschen bewacht, um Menschen abzugrenzen, auszugrenzen.

Als sich der nächste Regenschauer ankündigte, stiegen wir wieder ins Auto und fuhren wieder Richtung Datca, ließen die Gedanken zurück...

Wir hatten noch vier Tage. Es regnete zwar immer wieder, doch wir nutzen die trockenen Stunden, um das zu tun weshalb wir hier waren, klettern, abschalten. Es trockneten sogar noch einige Sinter und so konnten wir alle unsere Projekte abhacken. Glücklich und zufrieden fuhren wir wieder Richtung Izmir, von wo aus uns ein Flieger nach Hause brachte. Wie nach jedem Urlaub, mit dem Gedanken im Kopf, dass wir wieder mal her kommen würden.
Doch seien wir uns ehrlich, es gibt einfach noch zu viele schöne Orte auf dieser Welt, die von uns entdeckt werden wollen.














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