Georgien - Tetnuldi

Von Kazbegi aus ging es mit dem Taxi weiter nach Swanetien, einem wunderschönem Tal mitten im Kaukasus. Bereits die Touristenstadt Mestia, hat mir schon um ein vielfaches besser gefallen als Kazbegi. Überall stehen alte Türme als Zeitzeugen herum, in denen die Bevölkerung damals lebte. Die Straßen müssen mit Kühen, Pferden und Schweinen geteilt werden und das Beste, überall rundherum Berge. Leider war das Wetter nicht so gut, ansonsten hätten wir von der Stadt aus bereits unser nächstes Ziel sehen können. Wir bezogen unser Gästehaus, das für uns einfach nur perfekt war. Eine große Terrasse stand zur unserer Verfügung, auf der wir den ersten Abend mit zwei Flaschen Wein und gutem Brot ausklingen ließen.

Wir hatten zwei Tage Zeit bevor es auf zum Tetnuldi ging. Am ersten Tag wanderten wir zu einem Aussichtspunkt über der Stadt und genossen den Ausblick auf die umgebenden Berge. Der Zweite Tag war ziemlich verregnet und ich entschloss mich für einen gemütlichen Tag mit lesen, shoppen und Cafe trinken. Immerhin würden wir ja in den darauffolgenden Tagen noch genügend marschieren.

Dann ging es endlich los. Die schweren Rucksäcke waren wieder gepackt, diesmal durfte auch das Zelt noch mit, welches noch ein paar Kilos hinzufügte. Mit einem höher gestellten Allrad Bus ging es über eine holprige Straße bis hoch in ein Skigebiet. Von dort querten wir zu Fuß Grasrücken bis wir in ein unglaublich anstrengendes Blockgelände gerieten. Ich hatte Mühe und Not mit dem schweren Rucksack am Buckl die Balance zu halten und zählte die Minuten. Endlich nach ca. 4 Stunden (oder war es länger?) erreichten wir das Basislager und die schwere Last sank von unseren Schultern.

WOW! Der Anblick war unglaublich. Das Basislager war klein und nett, überall Steinmauern für die Zelte und nur noch  ein anderes Team. Der Gipfel blitze immer wieder durch die Wolken durch, das war mal ein Berg nach meinem Geschmack. Kein Geröllhaufen, nur noch Schnee und Eis. Ich freute mich schon richtig, doch diese Freude wurde beim Abendessen etwas getrübt. Mein Vater entschied sich nicht mit uns einen Gipfelversuch zu wagen. Er hatte Bedenken, dass er auch dieses Mal die Höhe nicht vertragen würde und hatte Angst, dass wir wegen ihm den Gipfel nicht erreichen könnten. Ob er die Höhe vertragen hätte oder nicht, weiß niemand, da der Körper nicht immer gleich reagiert. Konditionell wäre er auf jeden Fall fit genug gewesen. Ohne ihm auf den Gipfel? Natürlich stimmte mich der Gedanke traurig, doch gleichzeitig war mir bewusst, dass es für ihn sehr schlimm wäre, wenn wir den Tetnuldi wegen ihm nicht besteigen könnten.

Die Selbsteinschätzung am Berg und vor allem in so einer Höhe, finde ich sehr wichtig. Ich würde nie jemanden überreden weiter zu gehen, wenn er sich selbst nicht sicher ist ob er es schafft. Es war sehr tapfer von meinem Papa auf den Gipfelsturmversuch zu verzichten und auf sein Bauchgefühl zu vertrauen. Ich glaube nicht, dass viele in der Lage sind, sich selbst so zurück zu nehmen.

Also waren nur noch der Georgi, unser Bergführer, die Theresa und ich, und natürlich das andere Team. Mitten in der Nacht ging es los. Wieder erwachten wir umring von Sternen und stapften leise in die Nacht hinein. Der Schnee knirschte und ziemlich schnell ging es den ersten Steilhang bergauf. Da der Larry ein Local war, reihte sich Georgi nach ihm ein, leider. Denn die andere Gruppe hatte ein schreckliches Tempo, stopp and go, stopp and go, stopp and go, stopp and go, stopp and go, stopp and go, stopp and go... was langweilig zum Lesen ist, war unglaublich anstrengend zum Gehen. Bis zum Sonnenaufgang ging es so weiter und der Georgi setzte einfach nicht zum überholen an. Als wir dann beim Felsgrat ankamen und Theresa und ich sahen wie langsam sich die Gruppe vorwärts bewegte reichte es. Ich sagte dem Georgi, dass er jetzt mal bitte überholen soll, ansonsten würden wir heute bestimmt nicht den Gipfel erreichen. Einmal überholt, verbesserte sich leider der Rhytmus nicht. Wir schleppten uns eine halbe Stunde voran, machten zehn Minuten Pause und so weiter. In einer dieser Pausen, sahen wir, dass die Gruppe hinter uns umdrehte.

Nach dem Flesgrat erstreckte sich eine Flanke bis zum Gipfel. Theresa und ich strahlten uns an, wir fühlten uns beide sehr fit und der höchste Punkt schien in Reichweite. So eine Stunde dachte ich mir, doch als wir den Georgie fragten, meinte er nur noch zwei bis drei Stunden. Und tatsächlich, der Grat zog sich, ewig. Bis kurz unter die Gipfelflanke fühlte ich mich noch richtig fit und beschwerte mich innerlich ständig über die Pausen die unser Führer machte. Doch dann allmählich wurde ich müde, oder spürte die Höhe, oder beides. Meine Atmung wurde flacher und jeder Schritt war unendlich anstrengend. Bei der nächsten Pause angelangt, meinte Georgi, dass wir in 30 bis 40 Minuten am Gipfel wären. Ok, dachte ich bei mir, das schaff ich noch, ein Schritt vor den Anderen. Und tatsächlich, nach kurzer Zeit standen wir auf dem höchsten Punkt, 4858m, mein höchster Gipfel bis dahin. Die Aussicht war unbeschreiblich schön, rundherum Gletscher und Berge. Wir freuten uns sehr und es blieb nur ein kleiner bitterer Nachgeschmack, dass wir diesen Moment nicht mit meinem Papa teilen durften.

Nach dem Genießen ging es an den Abstieg. Wer mich kennt weiß, dass mein Körper nicht für Kälte gemacht ist. Dank dem schönem Wetter hatte ich aber riesen Glück und mir war beim Aufstieg nie kalt. Doch jetzt beim Abstieg froren mir langsam meine Hände ein. Meine Handschuhe waren nass und die rechte Hand war immer im Schatten. Gott sei dank tauschte die Theresa mit mir die Handschuhe, diese waren dicker und trocken. Ansonsten war der Abstieg ein reiner Genuss. Auf der Schulter nach dem Felsgrat aßen wir noch einmal gemütlich etwas und genossen den Ausblick. Was für ein unglaubliches Glück wir doch hatten, das dass Wetter uns so hold war.

Im Basislager angekommen gratulierten uns die anderen Seilschaften, wir waren an diesem Tag die einzigen die den Gipfel erreichten. Es war noch ein drittes Team nach uns los gestartet, doch auch die mussten beim Felsgrat umdrehen. Mein Vater war überglücklich, dass wir es geschafft hatten und meinte wir können richtig stolz auf unsere Leistung sein. Für mich allerdings, war dieses Wort hier fehl am Platz. Stolz? Nun ja, es war schon sehr anstrengend und ja, ich musste mich überwinden, dass ich nicht einfach aufgab. Aber für mich persönlich habe ich zu wenig auf dieses Ziel hintrainieren müssen, um stolz darauf zu sein. Versteht ihr mich? Ich bin stolz auf mich, wenn ich ein Ziel erreiche, auf das ich mich über einen längeren Zeitraum hinweg vorbereiten muss. Der Tetnuldi ist dank Führer, Wetterglück und meiner momentanen Fitness, die ich vom Alpinklettern habe, geglückt. Jedoch habe ich mich keine einzige Stunde speziell auf diesen Berg vorbereitet.

Ob ich nun die Idee habe schwerere, höhere Berge zu besteigen, da dieser relativ "einfach" ging? Nein, auf keinen Fall. Während der gesamten Zeit habe ich das Klettern so sehr vermisst. Die unterschiedlichen Bewegungen, der mentale Nervenkitzel, das in der Wand hängen, das Gefühl wenn ein Zug glückt, oder man eine Stelle auflöst, wenn man gerade noch rechtzeitig einen Henkel findet, oder endlich den Stand erreicht. Das Hochtouren gehen ist etwas wunderschönes, wenn das Wetter mitspielt, doch das Klettern ist für mich der Sport den ich in meinem Leben nicht vermissen möchte.

Im Basislager packten wir, nach einem Tee und einer kleinen Jause, unsere Zelter zusammen und marschierten den grausigen Schutt - Block - Weg wieder nach unten. Wir hatten nun noch eine Woche Zeit und diese nutzen wir um durch das wunderschöne Swanetien zu wandern. Unsere Stopps waren Mazeri, von wo aus wir auf den Ushba Gletscher wanderten, und das Dorf Ushguli, welches für uns den perfekten Abschluss der Reise darstellte.

"Wer eine Reise tut, hat viel zu erzählen." Doch für mich gilt auch, dass wer eine Reise tut, kommt nicht mehr zurück. Die Person die zurück kommt, ist eine Andere. Jede Reise verändert einen (hoffentlich) und nur durch Reflexion kann ein neues Denken in den Alltag eingebaut werden.



Tetnuldi von Mestia aus
wir sind über den rechten Grat aufgestiegen
(hab leider kein besseres Bild)

 Ushba

Ushguli 

Es gibt nur wenig Wanderwege, deshalb suchte mir der Papa einen guten Weg durchs Gestrüpp

 ganz links der Tetnuldi und rechts der Shkhara

Kommentare

  1. Gratuliere!
    Wir planen nächstes Jahr eine MTB Tour via Mestia. Kann man vor Ort Ausrüstung für die Tetnuldi Bestesteigung mieten, was ist das Minimum an Ausrüstung und kann man wirklich von Adishi starten, siehe
    https://www.geofit-travel.com/de/index.php?newsid=872 ?
    Cheers
    Martin

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