Hohe Wände, kleine Bine

Regular Northwest Face (5.9 C1) – Half Dome
Wahnsinn, meine erste „Aid Route“. Was das bedeutet? Aid klettern tut man dann, wenn die Route viel zu schwer für einen ist und man sich deshalb mit allen möglichen Tricks die Wand hinauf kämpft. C1 oder A0 ist die leichteste Variante des technischen Kletterns und bedeutet, dass lediglich an der Gear (Camalots, Keile oder Hacken, fix oder selbst gelegt) hinauf gezogen wird. Eine Trittleiter ist Standardausrüstung, da die Abstände zwischen den Absicherungen auch schon mal recht weit sein können.

Unser Plan war es die Route im Alpinstil, also mit zwei leichten Rucksäcken, in einem Tag zu klettern. Dafür haben wir am Sonntag (22. Okt) unsere Haulbags gepackt uns sind die 3,5h zum Einstieg hinauf gewandert. Als wir am Wandfuß ankamen bauten wir unser Basislager auf und genossen die Sonne. Um am nächsten Tag schnell zu sein fixierten wir die erste Seillänge mit einem Fixseil und kletterten die zweite Länge um unsere Sicherungen zu platzieren. Beim Feuer genossen wir die gewaltige Stimmung und die Ruhe die wir im Valley oft vermissten.

Um 5 Uhr war Tagwache und nach einem kleinen Frühstück starteten wir im Dunkeln mit den Jumarn über unser Fixseil zum ersten Standplatz. Die zweite Seillänge musste ich mit Stirnlampe klettern, jedoch war dies mit der fixierten Gear kein Problem. Wie geplant erreichte mich der Magnus am zweiten Standplatz gleichzeitig mit dem Tageslicht und so konnten wir in unbekanntes Terrain vorstoßen. Die ersten 9 Seillängen stiegen wir extrem schnell und wir mussten uns nur wenig an den Fixpunkten hinaufziehen, aber dann ging es los…

Die 10. Seillänge war eine Hackenleiter plus einem Pendler. Da auf der Platte wirklich keine Griffe oder Tritte vorhanden sind, muss man sich mit einer Trittleiter von Hacken zu Hacken ziehen, unsere erste richtige Aidlänge. Nachdem wir diese tricky Länge gemeistert haben kam eine leichte Querung bevor die Schlüssellänge vor uns lag. Ich war so froh, dass der Magnus an der Reihe war und nicht ich den weiten Pendler oben machen musste. Doch es kommt leider immer anders als geplant. Nach ca. 20 Meter baute der Magnus einen Stand und sagte ich sollte nachklettern, da der Seilzug für den Pendler ansonsten zu groß wird. Ich schluckte und wusste, nun muss ich die schwere Stelle klettern und den Pendler machen. Als ich beim Stand angekommen war blickte ich nach oben, eigentlich sah es gar nicht schwer aus. Die 11a bis zum Pendler sah sogar richtig genial aus. Teilweise kletterte ich, teilweise zog ich mich an den Camalots nach oben, bis ich beim Pendler angekommen war.
Ich klippte den Karabiner und der Magnus lies mich 5 Meter wieder nach unten, damit ich schwingen konnte. Beim ersten Versuch bemerkte ich schon, dass ich nicht mal ansatzweise in den 5 Meter entfernten Kamin hinüber kam. Eine halbe Stunde lang versuchte ich den Stand rechts im Kamin zu erreichen, ich war am Ende. Ich ärgerte mich, heulte, schrie, strampelte, doch nichts half. Schei… technisches Klettern! Nie wieder, schwor ich mir.
Schlussendlich gelang es mir mit Hilfe von Mikroleisten hinüber zu schwingen/klettern.

Als der Magnus bei mir ankam hatte ich mich schon wieder etwas beruhigt und weiter ging es durch die drei Kaminseillängen. Gott sei dank haben wir mittlerweile etwas Kaminerfahrung und konnten die Längen wieder recht flott hinter uns bringen. Eine weitere leichte Seillänge führte uns auf die Big Sandy Ledge, ein 1m breites Band in der Wand. Hier wollten wir eigentlich eine Pause machen und etwas entspannen bevor es in die drei schweren technischen Seillängen hinein ging. Doch ein Blick auf die Uhr verkürzte unsere Pause auf schnell einen Riegel in den Mund schieben und einen Schluck trinken. Immerhin wollten wir noch bei Tageslicht die sechs verbleibenden Seillängen klettern. Vor allem da die Vorletzte Seillänge noch einmal richtig schwer sein sollte.

Vom Band weg war es an mir die erste 5.12a zu „aiden“ und ich war erstaunt, wie schnell ich mich voran arbeitete. Nach 30 Metern war ich wieder bei einem Pendler angelangt, doch Gott sei dank nur ein kleiner Swing nach rechts der keine Schwierigkeit darstellte. Nun war der Magnus an der Reihe mit vorsteigen. Ich hoffte, dass er es schaffte die nächsten zwei Seillängen zusammen zu hängen, was laut Führer möglich war. Doch nach 20 Metern erhielt ich das Kommando, dass er Stand hatte und ich nachkommen sollte. Ich konzentrierte mich noch einmal und kämpfte mich zum nächsten Stand direkt vor der „Thank god ledge“. Als ich das schmale Band erblickte, auf dem man hinüber balancieren musste war ich ganz froh, dass nun der Magnus an der Reihe war. Doch als er bei mir ankam, machte er mir den Vorschlag, dass ich weiter gehen sollte, damit er sich für die nächste schwere Länge ausruhen konnte. Ich schnaufte. Zu diesem Zeitpunkt war die Sonne schon langsam beim unter gehen und mit ihr schwand auch das Tageslicht. Als ich auf das schmale Band hinauf kletterte erkannte ich, dass die Länge eigentlich voll genial war und ich hatte richtig Spaß daran über das Band zu balancieren, dann zu kriechen und mich dann an das Band zu hängen bis ich mich wieder darauf zog. Noch ein kurzer (Schweins-) Kamin und dann trennten uns nur noch eine schwere und eine leichte Seillänge vom Gipfel.
Mit Stirnlampe bewaffnet stieg der Magnus in die letzte schwere Länge ein. Eine Hackenleiter mit Pendler und schwerem Offsetcamhook. Wer den letzten Satz nicht verstanden hat braucht sich keine Sorgen zu machen, wir wussten auch nicht was damit gemeint war, bis wir es vor uns hatten. Zuerst konnte der Magnus sich an mehreren Hacken und einem Fixseil ohne Probleme nach oben ziehen. Danach musste er nach links pendeln und um einen Offsetfriend zu setzten. In diesen klickte er die Trittleiter ein, stieg bis auf die letzte Sprosse, um dann wieder einen Hacken zu erreichen. Nach diesem Hacken waren dann noch drei schwere Züge nach links auf einen Absatz, wo er dann einen Stand bauen konnte. Als er ankam, schrie er vor Begeisterung, jetzt lag nur noch eine leichte Seillänge vor uns, wir haben es geschafft. Im Lichtkegel der Stirnlampe kletterte ich zum Gipfel und sicherte den Magnus nach. Überglücklich lagen wir auf dem glatten Gipfelpodest und konnten uns zum ersten Mal nach 13 Kletterstunden (12 davon mit Tageslicht) so richtig entspannen und ausrasten. Erst jetzt merkte ich, dass ich den ganzen Tag über nur einen Riegel gegessen hatte und von meinen 1,5 Liter Wasser immer noch einiges übrig hatte.

Viele Gefühle durchströmten mich. Ich blickte in den Sternenhimmel und schwor mir, nie wieder eine Technoroute zu klettern. Ich war fix und fertig und leicht und frei.
Das was mich am meisten angestrengt hat war nicht das Klettern selbst, sondern der ständige Druck schnell zu sein, weiter zu klettern, um im Hellen oben an zu kommen.
Doch jetzt oben zu sein, zu wissen, dass wir es geschafft haben war ein überwältigendes Gefühl. Erst langsam konnte ich realisieren, wie viele coole Klettermeter und Ausgesetztheit wir erleben durften. Eine absolut geniale Wand!


PS: Ach ja, und wer glaubt dass wir sind wild, diese Tour ist eine Einstiegsroute für Big Walls und hat unzählige Begehungen jedes Jahr...

Zustieg mitn "Hauli"

Aussicht vom Bivy-Platzl

4. Seillänge 

Quergang vor der Hackenleiter

 Hackenleiter Nr. 1

Schlüsselseillänge, der Pendler ist irgendwo da oben

*Fun*Kamin*

Leichte Seillänge vor der Sandy Ledge

schwere Seillänge von der Sandyledge weg 

 Thank god ledge

Gipfelfoto

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